Schule in der digitalen Welt: Studien
Der Sammelband ist durch die Frage geleitet, ob die digitale SphÀre eine MaterialitÀt vorweist. Antworten werden im Horizont des erziehungswissenschaftlichen Grundbegriffs der Bildung ausgelotet.
Ausgehend von unterschiedlichen theoretischen ZugaÌngen umfasst der Band sowohl medienpaÌdagogische und mediendidaktische BezĂŒge als auch BeitraÌge aus der PaÌdagogik der Kindheit, der historischen PaÌdagogik, der aÌsthetischen Bildung, der InklusionspaÌdagogik, der erziehungswissenschaftlichen Geschlechterforschung, der SchulpaÌdagogik, der Erwachsenen- und Weiterbildung sowie der empirischen und theoretischen Bildungsforschung.
Auf diese Weise werden vielfaÌltige Begriffsbestimmungen von Bildung vorgeschlagen und kontextualisiert, die das Zusammenspiel von MaterialitaÌt und Digitalisierung als Reflexionsraum ihres Denkens anerkennen.
- Caterina SchĂ€fer, Dorina Rohse, Micha Gittinger, David Wiesche: Virtual Reality in der Schule – Bedenken und Potenziale aus Sicht der Akteur:innen in interdisziplinĂ€ren Ratingkonferenzen
Dieser Beitrag prĂ€sentiert und diskutiert die Ergebnisse aus vier interdisziplinĂ€ren Ratingkonferenzen, in denen SchĂŒler:innen, Lehrpersonen und Expert:innen aus Entwicklung MedienpĂ€dagogik und Wissenschaft Bedenken und Potenziale des schulischen Einsatzes von Virtual Reality (VR) diskutieren. VR ist, obwohl zunehmend als Bildungstechnologie anerkannt, in der Schule noch nicht grundstĂ€ndig angekommen. Anhand der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz und induktiver Kategorienermittlung werden aus den Daten vier Hauptkategorien abgeleitet. Es fehlt laut den Akteur:innen an technischer Ausstattung sowie Erfahrungen, Ideen und erprobten Konzepten fĂŒr den schulischen Unterricht. Einem Mehraufwand steht ein schwer einzuschĂ€tzender Mehrwert entgegen. Gleichzeitig attestieren die Teilnehmenden VR-gestĂŒtzten Lernumgebungen eine Vielzahl an Potenzialen wie immersives Lernen, barrierefreie ZugĂ€nge und Möglichkeiten fĂŒr eine differenzierte Unterrichtsgestaltung. Der Beitrag zeigt auch, dass weder der wissenschaftliche Diskurs noch die teilnehmenden Akteur:innen bisher konkrete Aspekte eines verkörperten Lernens in, mit und durch VR (Extended Embodied Education) beachten. Eine Zusammenarbeit der im Schulkontext beteiligten Akteur:innen ist im Sinne einer Netzwerkarbeit zur Implementierung von VR in der Schule erstrebenswert.
Die Technologie Augmented Reality (AR) eröffnet durch Anreicherung der realen Welt mit virtuellen Informationen innovative pĂ€dagogisch-didaktische Gestaltungsmöglichkeiten in Lehr-Lern-Situationen. Insbesondere im Sachunterricht der Primarstufe besteht derzeit noch ein erhebliches Desiderat zur Erforschung des pĂ€dagogisch-didaktischen Potenzials des Einsatzes von AR sowie grundsĂ€tzlich zur Konzeption und Implementation entsprechender AR-Lehr-Lern-Tools. Ziel der in diesem Beitrag beschriebenen Studie ist die Erlangung grundlegender Erkenntnisse zur EinschĂ€tzung der «Pedagogical Usability» eines AR-Lehr-Lern-Tools fĂŒr den naturwissenschaftlich-orientierten Sachunterricht durch Grundschullehrpersonen. Diese durch Befragung von Grundschullehrpersonen gewonnenen EinschĂ€tzungen wurden in einem qualitativen Design mittels eines leitfadengestĂŒtzten Interviews erfasst und durch eine strukturierende qualitative Inhaltsanalyse ausgewertet. Insgesamt zeigt sich, dass das evaluierte AR-Lehr-Lern-Tool einige Teilaspekte der Pedagogical Usability aus Sicht der Lehrpersonen erfĂŒllt (z.âB. «Motivation» und «Student Control») und in anderen Teilen noch verbessert werden könnte (z.âB. bzgl. «Applicability» und «Feedback»). Auffallend ist auch, dass die Lehrpersonen die pĂ€dagogisch-didaktischen Vorteile von AR nicht oder kaum erkennen und die Unterschiede zwischen verschiedenen AR-Technologien auch nur teilweise benennen oder erkennen können. Die Ergebnisse stellen eine erste Grundlage fĂŒr weitere Untersuchungen zur Rolle der Lehrperson bei der Entwicklung, Evaluation und Implementierung hoch innovativer, technologiegestĂŒtzter Lehr-Lern-Tools sowie fĂŒr die Erforschung des pĂ€dagogisch-didaktischen Potenzials von AR zu weiteren Themen des Sachunterrichts dar.
Was ist besser: Offener Unterricht oder der traditionelle Frontalunterricht? Diese Frage treibt nicht nur Lehramtsstudierende in ihrem Studium um, sondern beschĂ€ftigt auch viele Eltern, Schulleitungen und die Bildungspolitik. Derzeit erhĂ€lt die Diskussion um das Lernen im offenen Unterricht wieder eine groĂe öffentliche Aufmerksamkeit, weil ein Teil der Medienlandschaft ein individualisiertes und adressatenorientiertes Lernen als vermeintliche Hauptursache fĂŒr das schwache Abschneiden von GrundschĂŒlerinnen und GrundschĂŒlern im aktuellen Bildungstrend des Instituts zur QualitĂ€tsentwicklung im Bildungswesen (IQB) ausgemacht hat.
Das Thema sonderpĂ€dagogische Diagnostik ist in Zeiten der Umsetzung von schulischer Inklusion und prĂ€ventiver Förderung noch prĂ€senter und wichtiger geworden. PĂ€dagogische Handlungen, Fachpersonal und Ressourcen sind begrenzt und es stellt sich die Frage, wer wann Hilfe benötigt und welche UnterstĂŒtzung auch wirksam ist. Ebenso besteht die Gefahr, dass eine fĂŒr sich alleinstehende Diagnostik zum Selbstzweck, aber insbesondere auch unpassende Interventionen mehr schaden als nutzen. Es steht daher immer auch die Frage im Raum, warum, wann und welcher Form der Diagnostik es bedarf und wie konkret diese Diagnostik mit nachfolgenden Interventionen in und auĂerhalb der Schule verbunden ist. Diese Fragen versucht das Buch zu beantworten, indem durch eine breit aufgestellte Autor*innenschaft vielfĂ€ltiger Ausrichtung unterschiedliche Ansichten ĂŒber verschiedene sonderpĂ€dagogische Schwerpunkte geboten werden. Da man selbst als Autor meist nur einen eingegrenzten Blick und damit einhergehend spezifische Handlungsweisen vertreten kann, haben wir ein Werk mit verschiedenen BeitrĂ€gen herausgegeben, um möglichst viele diverse Sichtweisen zum Thema sonderpĂ€dagogische Diagnostik zu prĂ€sentieren. Wir haben möglichst viele Expert*innen gebeten, uns BeitrĂ€ge zu schicken und uns nicht auf eine sonderpĂ€dagogische Fachrichtung oder ein spezifisches Thema der Diagnostik beschrĂ€nkt. Wir sehen das Buch nicht als EinfĂŒhrungswerk, sondern als Fundgrube fĂŒr die verschiedenen AnsĂ€tze der Diagnostik an. Diese unterschiedlichen Texte bieten AnlĂ€sse fĂŒr eine gemeinsame Auseinandersetzung und Diskussion in der Lehre.
Dieses Themenheft dient der Sammlung interdisziplinĂ€rer Perspektiven auf grenzĂŒberschreitende und zukunftsgerichtete Prozesse des Lehrens und Lernens in der Kultur der DigitalitĂ€t, die Nachhaltigkeits- und Gerechtigkeitsfragen gleichermaĂen betreffen. (…)
Das Themenheft bildet den Abschluss eines eineinhalbjĂ€hrigen Prozesses, der es den Autor:innen ermoÌglichte, BeitrĂ€ge einzureichen, die vorab mit einem Fachpublikum auf der gleichnamigen Tagung an der Ludwig-Maximilians-UniversitĂ€t in MĂŒnchen diskutiert und weiter entwickelt wurden. Bereits vor Tagungsbeginn standen die BeitrĂ€ge als Videozusammenfassung auf der Tagungswebseite zur VerfĂŒgung, um das Zusammentreffen vor Ort fĂŒr die Diskussion der Inhalte zu nutzen. Die VeroÌffentlichung erfolgt nun im Anschluss an ein offenes und transparentes Double-Peer-Review-Verfahren. Dadurch wurden RĂ€ume fĂŒr einen konstruktiven und detaillierten Austausch eroÌffnet, von denen insbesondere Nachwuchswissenschaftler:innen profitieren konnten.
- Költzsch, Deborah: Making the invisible visible – Eine empirische Untersuchung zur Definition und Evaluation von KreativitĂ€t bei fremdsprachlichen Schreibprodukten der Primarstufe
Als Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit gilt das ambivalente VerstĂ€ndnis von KreativitĂ€t im Englischunterricht. WĂ€hrend der Begriff mit dem selbststĂ€ndigen Gebrauch der Fremdsprache eng verbunden (Maley, 2015) und eine Förderung von KreativitĂ€t im Unterricht erwĂŒnscht ist (Gallup, 2019), scheint gleichzeitig eine allgemeingĂŒltige Definition zu fehlen. Diese Dissonanz fĂŒhrt zu einer oftmals untergeordneten Stellung von KreativitĂ€t im Unterrichtsalltag (Haager, 2019; Schacter et al., 2006), die aber dem Potenzial von KreativitĂ€t fĂŒr das fremdsprachliche Lernen widerspricht. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde KreativitĂ€t deshalb aus Sicht der Didaktik des Englischen empirisch untersucht, um KreativitĂ€t sichtbar zu machen und deren Förderung zu ermöglichen. Thematisch spezifizierte sich die Arbeit auf die Primarstufe sowie die Schreibkompetenz, um möglichst prĂ€zise Einblicke zu bieten. Gerade das frĂŒhe Fremdsprachenlernen eignet sich dazu besonders gut, da aufgrund des fehlenden Leistungsdrucks.
Die Berufsschule ist in Ăsterreich wie in Deutschland ein wichtiger Integrationsort fĂŒr Menschen mit Fluchtbiografie, trotzdem ist die Professionalisierung von LehrkrĂ€ften in diesem Kontext bisher nur wenig erforscht. Zu diesem Forschungsdefizit liefert die Dissertation neue Erkenntnisse.
Die Autorin untersucht mit problemzentrierten Interviews und einer qualitativen Inhaltsanalyse, wie Lehrende heterogene KlassenverbĂ€nde wahrnehmen, welche Herausforderungen sie beim Unterrichten von GeflĂŒchteten sehen und mit welchen Arbeitsstrategien sie darauf reagieren. Interviewt wurden LehrkrĂ€fte an gewerblich-technischen Tiroler Berufsschulen.
Die normativen Anforderungen an LehrkrĂ€fte – Professionalisierungskonzepte, Standards und gesetzliche Vorschriften in Ăsterreich, Deutschland und der Schweiz – sind der Ausgangspunkt, um aus den empirischen Ergebnissen Handlungskonsequenzen fĂŒr die LehrkrĂ€ftebildung abzuleiten. Wissenschaftliche Vorarbeiten werden durch die neuen Erkenntnisse modifiziert.
- Joachim Betz, Jan-René Schluchter (Hg.): Schulische Medienbildung und Digitalisierung im Kontext von Behinderung und Benachteiligung
Konzepte und Modelle der Medienbildung mit Menschen mit Behinderungen im Kontext von Schule und Unterricht liegen bis dato nur in AnsĂ€tzen vor. Insbesondere Verbindungslinien von medien-, sonder- und inklusionspĂ€dagogischen AnsĂ€tzen sind fĂŒr das Handlungsfeld Schule wenig erschlossen. Der Band setzt Impulse, sich dieser Thematik aus theoretischer und praxisbezogener Perspektive anzunĂ€hern und so einen Beitrag zur weiteren Ausgestaltung von Schule und Unterricht mit der Perspektive Inklusion.
Die Welt wird zunehmend digital und komplexer. Dies hat zur Folge, dass RoutinetĂ€tigkeiten auf dem Arbeitsmarkt immer weniger gefragt sind, wĂ€hrend interaktive, kreativ-gestaltende und kognitiv-analytische TĂ€tigkeiten zunehmend an Bedeutung gewinnen (Levy und Murnane 2005). Gleichzeitig offenbaren internationale Vergleichsstudien wie PISA (OECD 2014) oder IGLU (Bos et al. 2017) in Deutschland bereits seit 20 Jahren ein Problem, das als chronisch bezeichnet werden kann: Etwa ein FĂŒnftel aller Lernenden erreicht die Mindestkompetenzstandards in den Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen nicht, wobei insbesondere SchĂŒler:innen in sozioökonomisch deprivierten Lagen gefĂ€hrdet sind. Das Ziel unseres Bildungssystems, allen Kindern und Jugendlichen langfristig eine selbstbestimmte Teilhabe am ökonomischen, politischen und kulturellen Leben der Gesellschaft zu ermöglichen, wird dementsprechend verfehlt. ZurĂŒckzufĂŒhren ist die hohe Anzahl von SchĂŒler:innen, die das Bildungsminimum nicht erreichen, unter anderem auf die mangelnde AdaptivitĂ€t des schulischen Bildungsangebots. Wie die Nutzung digitaler Möglichkeiten insbesondere im Sinne der Teilhabegerechtigkeit aussehen kann, soll in diesem Beitrag im Vordergrund stehen. Vorgestellt wird eine strategische Kernroutine fĂŒr mehr individuelle UnterstĂŒtzung an Schulen. Die Kernroutine beginnt mit einer digitalen Lernstandserhebung, auf die evidenzbasierte und passgenaue Förderangebote aufbauen.
Designbasierte Forschung umfasst verschiedene AusprĂ€gungsformen von Forschungsprozessen, die auf die Entwicklung und Implementation von Innovationen abzielen. Mit der Anwendung von designbasierten AnsĂ€tzen haben Forscherinnen und Forscher den Anspruch, sich an der Lösung praktischer Problemlagen zu beteiligen; dies ist ein wichtiger Ausgangspunkt fĂŒr die Anlage von Forschungsprozessen und -programmen. HĂ€ufig geht es um bisher wenig strukturierte, aktuelle Probleme in der Berufsbildungspraxis, was wiederum bedeutsam fĂŒr das Aufeinandertreffen und die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis ist. Der vorliegende Band nimmt die Vielfalt designbasierter Forschung auf und dokumentiert, ergĂ€nzt durch Visualisierungen, die BeitrĂ€ge des AG BFN Forums âWissenschaft trifft Praxis â Designbasierte Forschung in der beruflichen Bildungâ, welches in einem digitalen Format an der UniversitĂ€t Paderborn stattfand.
Aus der mangelnden digitalen Kompetenz von (Berufsschul)LehrkrĂ€ften, Lehramtsstudierenden und SchĂŒler:innen ergibt sich ein âdigitaler Teufelskreis”. Der Autor entwickelt, erprobt und evaluiert in seiner Dissertation aus einem Design-Based Research Ansatz ein Konzept fĂŒr ein Onlineseminar innerhalb der beruflichen Lehramtsausbildung an der Justus-Liebig-UniversitĂ€t GieĂen.
Zentraler Baustein des Seminars ist die Eigenproduktion von ErklĂ€rvideos, die digitale Kompetenzen niedrigschwellig fördert und zur Sensibilisierung fĂŒr das Thema Digitalisierung im Handlungsfeld Schule beitrĂ€gt. Aus den Ergebnissen der praxisbezogenen Studie im Kontext des Studienstandorts GieĂen leitet der Autor allgemeine Gelingensbedingungen und Handlungsempfehlungen fĂŒr die digitalisierungsbezogene Professionalisierung angehender BerufsschullehrkrĂ€fte ab.